JAZZ PODIUM   Juli-August 2001

 


Michael Mantler
Hide and Seek


Der gebürtige Wiener Michael Mantler streut seine sanften Trompetenlinien nur noch sehr sparsam in seine eigenen Kompositionen. Mit der Improvisation trat bei ihm leider auch die aktive Tätigkeit immer weiter gegenüber der notierten Vision zurück. Mantler ist heute vor allem Komponist statt Solist, und als solcher einer der wenigen, die Worte und Musik gleichberechtigt miteinander zu paaren verstehen. Mit "Hide And Seek" erfüllte sich ein erklärter Wunsch Mantlers: die Vertonung von Texten des amerikanischen Autors Paul Auster. Aus dessen gleichnamigen Theaterstück griff Mantler Passagen heraus, hüIlte sie in Musik, und verwob sie mit instrumentalen Interludien zu einer knapp 40-minütigen Suite. Er folgt in seiner Auswahl keinem stringenten Handlungsfaden sondern er wirft inhaltliche Anker, an denen er für drei bis vier Minuten ein Stimmungsbild aufhängt. Sein "Chamber Music and Songs Ensemble" wurde dezent um Akkordeon, Vibraphon und Holzbläser erweitert. Dreh- und Angelpunkt sind jedoch die Stimmen von Susi Hyldgaard und Robert Wyatt. Austers Texte thematisieren Realitätsflucht, Zweifel, Angst und vieles mehr, was sich mit Worten nicht fassen lässt - auch nicht von Auster. Mantler übernimmt die Textaussage jedoch nicht 1:1 in die Melodiesprache. Die Zwiegespräche der beiden Protagonisten bleiben melodisch abstrakt, wodurch die Worte ohne Pathos sind und geradezu nackt erstrahlen. Mantler komponiert dazu eine Musik, welche die Worte weit über ihren inhaltlichen und semantischen Gehalt hinaus deuten. In den Begleitungen und Zwischenspielen werden die Texte reflektiert, ausgedeutet bzw. die kommenden Untiefen vorbereitet. Die kammermusikalische Atmosphäre wird selten verlassen und Mantler wählt mit viel Gespür die richtigen Instrumentenkombinationen. Er setzt sparsame und solitäre Linien neben verschachteltes Stimmengewirr. Ensemble- und Einzelklänge erblühen und glänzen voll spröder Schönheit, und wenn am Ende der letzte Streicherklang im Nebel verschwindet, ist auch nach kurzer Spielzeit alles gesagt. Zur Zeit gehören Mantlers Werke zurn Spannendsten was das grosse Auffangbecken des Jazz zu bieten hat. Mantler erforscht abgelegene, und letztlich doch seltsam vertraute Klangwelten. Zeitgenössische Musik, elitäre Luftblasen oder pseudoavantgardistischem Klamauk.

- Thorsten Meyer

 
     
 

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